Lesbisches Leben im Grossformat - im 19. Jhdt.

12.05.2020

1928, ein Jahr nach ihrem Tod, fand an der Ecole des Beaux-Arts in Paris eine Gedenk-Ausstellung statt, erst 2001 eine weitere grosse Ausstellung zu ihrem Werk - die Rede ist von Louise Breslau. Die Ausstellung 2001 im Musée cantonal des Beaux-Arts in Lausanne galt als eine Ausstellung zur Wiederentdeckung der Künstlerin. Bekannt ist sie auch heute fast niemandem, in den offiziellen Kanon aufgenommen wurde ihr Name schon gar nicht.

Louise Breslau, geboren 1856 in München, lebte ab 1858 in der Schweiz, siedelte 1876 nach Paris um, wo sie an der renommierten Académie Julian war und bereits ab 1879 und während vieler Jahre im Pariser Salon ausstellte. 1889 und 1900 erhielt sie an den Pariser Weltausstellungen die Goldmedaille. 1900 zog sie zusammen mit ihrer Partnerin, der Schriftstellerin Madeleine Zillhardt, nach Neuilly-sur-Seine, wo sie 1927 starb. Louise und Madeleine lebten über 40 Jahre zusammen.

Die Bilder von Louise Breslau werden eingeordnet zwischen Naturalismus und Impressionismus. Sie malte in Öl, Pastellkreide, sowie Aquarell und Mischtechniken. Was ist nun das spezielle an Louise Breslau? Im Unterschied zu anderen lesbischen Künstlerinnen hat sie keine neue Technik, wie z.B. Annemie Fontana mit ihren Skulpturen aus Polyester, oder neue Inhalte, wie Marlow Moss mit der oft, aber fälschlich Mondrian zugeschriebenen Doppellinie, entwickelt. 

Wie andere Künstlerinnen ihrer Zeit auch, war Louise Breslau immer mal Ziel von Spott und Hohn, dies zeigen Karikaturen von ihr, die in verschiedenen Zeitschriften in Paris erschienen sind. Manche Zeitgenossen liessen sich auch negativ über ihr Verhalten aus, wie z.B. der Schriftsteller und Dramaturg Frank Wedekind, er warf ihr zu deutliche Virilität (Manneskraft, Männlichkeit) vor - fühlte sich aber wohl eher in seiner eigenen in Frage gestellt. 

Breslau wusste sich allerdings durchzusetzen, und unterstützte auch die eine oder andere weitere Künstlerin. So z.B. bei der Weltausstellung in Paris im Jahr 1900, wo sie zusammen mit Ernest Biéler die Kunstausstellung der Schweizer Sektion leitete. Dabei stellte nicht nur sie selbst acht statt der pro KünstlerIn maximal erlaubten vier Bilder aus, sondern sie ermöglichte es auch der ebenfalls lesbischen Künstlerin Ottilie Roederstein drei, statt die nur zwei von der Jury bewilligten Bilder auszustellen.

Ihr Verdienst ist aber nicht nur, dass sie sich in der von Männern beherrschten Kunstwelt durchsetzen und von ihrer Kunst leben konnte, sondern auch ein lesbischer Blick, ein lesbisches Leben, das ganz selbstverständlich in einigen ihrer Werke deutlich wird - und ausgestellt und gekauft wurde. Das Bild "Gamines" (Mädchen) ist eine liebliche Darstellung von zwei Mädchen resp. jungen Frauen, die offenbar nach gemeinsamem Sport und Picknick sich in einem Waldstück erholen. Die eine mit Blick zum Publikum und dem Kopf auf dem Knie der anderen liegend, diese ihr zugewandt. Dieses Bild ist im Original 1.1 x 2.35 Meter gross. Lebensgross. 

In manchen Skizzen zu diesem Bild von 1893 kam noch ein kleines Mädchen vor, der Blick der liegenden jungen Frau dem kleinen Mädchen zugewandt - damit wäre die Rolle als Frau, die sich um Kinder kümmert, eingenommen worden. Breslau entschied sich für die ausschliessliche und selbstbewusste Darstellung der zwei jungen Frauen. Es gibt wenige Darstellungen von Frauenpaaren in der Kunstgeschichte im Grossformat. Schon gar nicht 1893.

"Gamines" von Louise Breslau, 1893
"Gamines" von Louise Breslau, 1893

Ein weiteres faszinierendes und ebenfalls (fast) lebensgrosses Bild ist das Porträt von Bergliot Björnson von 1889: im schwarzen Kleid mit Spitzenkragen - und kurzen Haaren. Davor stehend denkt eine, auch aufgrund der sehr realistischen Darstellung, unweigerlich an eine Maskerade einer jungen Frau ab so ca. 1970 oder 1980 in einem Kleid von damals. So ungewohnt ist diese Darstellung und steht sie im Kontrast zu heutigen Vorstellungen von Frauen jener Epoche. Bekanntere Bilder von Frauen mit Kurzhaarschnitt tauchen erst ab den 1910er, 1920er Jahren auf, Beispiel Anita Augspurg. 

Die Porträtierte ist die zu der Zeit ebenfalls in Paris lebende Sopranistin Bergliot Björnson. Sie war nicht lesbisch, sondern heiratete später den Schriftsteller Sigurd Ibsen, war aber weiterhin aktiv als Frauenrechtlerin, auch als ihr Ehemann norwegischer Premierminister wurde. 

Porträt Bergliot Björnsen - von Louise Breslau, 1889
Porträt Bergliot Björnsen - von Louise Breslau, 1889

Auffallend auch die verschiedenen Bildnisse von Madeleine Zillhardt, ihrer Partnerin, und sich selbst, als Paar. Diese Bilder ziehen sich durch ihre Laufbahn als Künstlerin durch und sind zumeist schon fast ein bisschen mondän - wenn dieses Wort in Bezug auf impressionistische Kunst im Stil von Breslau denn zulässig ist. So das Bild "Contre-jour" im Format 1.13 x 1.81 Meter, das Madeleine mit einem Kätzchen und Louise in Arbeitskleidung und mit einem Skizzenbuch zeigt (1888). Oder das Bild "La Vie pensive" von 1908, auf dem neben den beiden Frauen auch ihr Hund Douska, ein Levrier (eine Windhund-Kreuzung mit einem Braque francais), abgebildet ist. Auch dieses Bild in einem Grossformat (1.75 x 1.60 Meter). Die beiden machten ihre Beziehung, ihr Zusammenleben offenbar problemlos öffentlich.

Skizze zu "Contre-jour" von Louise Breslau, 1888
Skizze zu "Contre-jour" von Louise Breslau, 1888

Erfreulich, und auch passend, wie der Katalog zur Ausstellung in Lausanne 2001/2002 denn auch gar nicht erst um das Thema rumredet, sondern gleich zu Beginn auf den Beitrag zum Katalog von "Spezialistinnen der Geschichte des Lesbianismus" verweist, konkret auf die Autorin Marie-Jo Bonnet, die mehrere Bücher veröffentlichte, leider wurde bisher nichts übersetzt - hier zwei Tipps um weiter zu lesen:

"Les relations amoureuses entre les femmes du XVIe au XXe siècle." (Paris 1995)
"Les Deux Amies. Essay sur le couple de femmes dans l'art." (Paris 2000)

Der Katalog zur Retrospektive auf das Werk von Louise Breslau in Lausanne 2001/2002 ist nach wie vor erhältlich:
"Louise Breslau. De l'impressionnisme aux années folles.", Ed. Catherine Lepdor, Verlag Skira, Mailand, 2001

Und, es gibt einen weiteren Versuch, die Künstlerin Louise Breslau resp. das Paar Breslau - Zillhardt nicht dem Vergessen zu überlassen. 2018 wurde ein Platz im 6. Arrondissement von Paris offiziell nach den beiden benannt:

Bild: Celette
Bild: Celette


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